Kammermusik IV (2004/05)
für 16 Spieler und hohen Sopran
“Kammermusik IV” ist ein weiteres Stück einer Reihe von kammermusikalischen Kompositionen, worin ich mich mit den Beziehungen zwischen idiomatisch individuellem und kollektivem Spiel beschäftige. Während „Kammermusik III“ eine Fokussierung auf individuelle „musikalische Redensarten“ eines Instruments oder eines Spielers thematisierte, bilden in der „Kammermusik IV“ verschiedene instrumentale Kombinationen (mixturartige Mischungen) verschiedenste „individuelle“ Gruppen. Dies erfolgt in einem relativ strengen formalen Rahmen.
Nach einer Einleitung, die die folgenden Abschnitte fragmentarisch und komprimiert vorwegnimmt, folgen acht Episoden mit jeweils individuellem Charakter und Tonfall. Alle Abschnitte sind gekennzeichnet durch a) einen eigenen Zentralton, b) eine bestimmte Art der Interaktion der jeweiligen gruppenbildenden Hauptinstrumente und c) verschiedene Kommentare durch andere Instrumente oder Gruppierungen.
Hier bietet sich der Vergleich mit einem großen Haus an, das gleichsam den „gesicherten“ Rahmen vorgibt und der Betrachter/Zuhörer durch verschiedene Erlebnisräume wandert, die fast alle mit einer latenten Morbidität zum Zerfall neigen.
Der Schlussabschnitt kann als scharfer „negierender“ Kommentar von außen – das Wegfallen der stabilen Mauern des Hauses - angesichts der vorhergegangenen, „gesicherten“ aber letztlich vom Ausdruck her brüchigen Episoden (die den Kern des Werkes bilden) charakterisiert werden.
Die Singstimme, der kein Text zugrunde liegt, wird in diesem Stück wie ein Ensembleinstrument und nicht solistisch behandelt, trägt aber durch ihre spezifische Intensität wesentlich zum Ausdruck des Werks bei.
Das Werk ist Frau Christine Muschaweckh gewidmet.
Postskriptum: Am Tage der Fertigstellung der Rohfassung des Werkes, dem 26. Dezember 2004 geschah das Tsunami Desaster in Südostasien, was mich aus nahe liegenden biographischen Gründen besonders getroffen hatte. Deswegen möchte ich dieses Werk auch als Erinnerung an die Opfer der Katastrophe verstanden wissen, auch wenn es davor komponiert wurde.